Mobility

Wird Deutschland jetzt ein Fahrradland?

Es geht was um in Deutschland. Zusätzlich zu der permanenten gut organisierten Interessenvertretung des ADFC’s um u.a. #MehrPlatzFuersRad zu bekommen, gibt es in ungefähr 15 Städten gesellschaftliche Initiativen die Radentscheide organisiert haben oder voran bringen, um nach dem Vorbild des erfolgreichen Berliner Mobilitätsgesetzes formale Entscheidungen auf lokaler Ebene zu bekommen, die die Gemeinderegierungen zu konkreten Maßnahmen verpflichten. Seit dem Nationalen Fahrradkongress im Mai 2019 will Verkehrsminister Andreas Scheuer auch als Fahrradminister gesehen werden. Er revidierte die Verkehrsregeln etwas, um die Position des Fahrrades ein bisschen zu verbessern, und sein Ministerium organisiert einen interaktiven Prozess für den neuen Nationalen Radverkehrsplan (NRVP 3.0) …  Ist Deutschland dabei, ein Fahrradland zu werden? Ein paar Eindrücke von Veranstaltungen und Gesprächen, an denen ich in den vergangenen sechs Monaten in Deutschland teilnahm.

Nationaler Radverkehrsplan 3.0

Der Minister kündigte Investitionen von 1.4 Milliarden für 2020-2023 an, z.B. um das lückenlose Radroutennetzwerk in Deutschland hinzubekommen, und gab am 8. Oktober in Berlin den Auftakt für ein Forum von 23 Experten, die die neue nationale Radfahrstrategie entwickeln sollen (NRVP 3.0) . Dabei sollen sie die wichtigsten Ergebnisse einer Online-Umfrage berücksichtigen: man wünscht sich eine komfortable, sichere Infratruktur mit sicheren Kreuzungen. Ich notierte mir auch folgendes Statement des Ministers: “Wir brauchen nicht die autogerechte Stadt, wir brauchen die menschengerechte Stadt; wir müssen den Platz umverteilen; das Auto muss Platz abgeben”. Ich beobachtete etwas Skepsis und Ungläubigkeit im Raum und später in den sozialen Medien, denn natürlich ist die Frage, was davon in der Praxis umgesetzt wird … Der Minister steht übrigens unter hohem Druck wegen des Desasters rundum des gestrandeten Prozesses, eine Autobahnmaut einzuführen.

Minister Andreas Scheuer, Berlin 8 October

Berlin

Deutschlands Hauptstadt Berlin steht in vielerlei Hinsicht im Spotlight. Wechsel von politischen Mehrheiten im Land Berlin und den Berliner Bezirken, neue Ambitionen und konkrete Projekte wie z.B. im bekannten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Ich beobachtete, als ich im August als Redner an Workshops der Bezirksverwaltung mit Bürgern/-innen teilnahm, auf der Straße und bei Diskussionen was man ‘konstruktive Street Fights’ nennen könnte. Die Ideen der Bürger/-innen zur Umgestaltung der Bergmannstraße wurden von einem Experten auf Panels visualisiert und im September als Teil der Vorbereitung des Entscheidungsprozesses an der Straße ausgestellt.

Mobycon CEO Johan Diepens studying the citizens’ ideas for the Bergmannstraße in Kreuzberg

Ein furchtbarer Crash eines SUVs in eine Gruppe von Fußgänger/-innen am 6. September (4 Menschen starben) erhitzte die Diskussion über die negativen Aspekte von immer mehr großen und schweren Autos in den Städten und dem Autoverkehr im allgemeinen, kurz vor der Internationalen Automobil Ausstellung IAA. Den Deutschen Medien (nicht nur den sozialen) auf dem Fuß folgend muss ich zugeben, dass ich neben den konstruktiven ‘Street Fights’ für lebenswerte Städte auch billige parteipolitische Spielchen wahrnehme … z.B. zu den konkreten (teilweise temporären) Maßnahmen in Kreuzberg (Parklets auf Parkplätzen, Diagonalsperren gegen den Durchgangsverkehr; jeden Mittwochnachmittag autofreie Straße um Kindern Raum zum Spielen zu geben).

Every Wednesday afternoon: Spielstraße in Kreuzberg, Berlin

Geschützte Kreuzungen

Zum Glück passiert etwas in der konkreten Welt der Umgestaltung von Straßen, bei der Planung und dem Entwurf von Infrastruktur. Ein mit 160 Planer/-innen und Expert/-innen aus ganz Deutschland vollbesetzter Raum folgte auf der ADFC Fachtung zu sicheren Kreuzungen  am 26 September u.a. den Präsentationen von Mobycon’s Geschäftsführer Johan Diepens zu den in den Niederlanden üblichen Designansätzen und Mobycon’s Arbeit mit Gemeinden in Nord-Amerika und in Europa um geschützte Kreuzungen zu bauen. Geschützte Kreuzungen waren neben dem Thema ‘Bürgerpartizipation’ auch einer meiner Schwerpunkte bei Präsentationen in einem öffentlichen Workshop, den der Radentscheid Bielefeld im Oktober organisierte. Ich sehe den Trend, dass Deutsche Experten/-innen immer mehr auf gute Beispiele im Ausland schauen.

Johan Diepens replying to questions at ADFC Fachtagung 26 September

Frankfurt

Radfahrend durch Frankfurt a.M. erinnerte ich mich an das, was Minister Scheuer am 8. Oktober über selbsterklärende und sichere Radwege sagte. Die sich selbsterklärenden Straßen Frankfurts ‘lesend’ verstand ich, dass diese für Autos gebaut wurden und dass sogar die für Fahrräder bestimmte aber nicht physisch geschützte Infrastruktur oft (illegal) für’s Autoparken genutzt werden kann. Sogar während des kurzen Besuchs der Kreuzung Eckesheimer Landstraße/Adickesallee nahm ich am 25. Oktober in einer Videoaufnahme einen Fast-Unfall zwischen einem rechtsabbiegenden kleinen Lieferwagen und einem geradeaus fahrenden Radfahrer wahr. Und trotzdem … Ich sehe, ich fühle, ich höre in den Gesprächen, nicht nur in Frankfurt a.M., dass der soziale Druck des ADFCs und anderer Organisationen und Bewegungen immer stärker wird und dass Stadt- und Gemeindeverwaltungen dem Radfahren mehr Beachtung als je schenken.

Die ländlichen Regionen

Deutschland ist absolut ein Fahrradtourismusland. Ein führendes Fahrradtourismusland! Ich nahm an einer Veranstaltung im Bayrischen Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim teil, wo am 16. Oktober ein touristisches Radroutennetzwerk (1200 km) von 12 gut beschilderter Themarouten und 2 Fernrouten eingeweiht wurde, erstellt in einem EU-kofinanzierten Projekt.

Opening of the cycle route network at Neustadt an der Aisch in Bavaria

Mit dem Zug nach Neustadt a.d. Aisch und anderswo in Deutschland unterwegs sehe ich in Deutschland das Potenzial, um Riesenschritte in Richtung einer wirklichen Verkehrswende zu machen. Die erneute Beachtung, die die Bundesregierung dem Bahn- und Fahrradverkehr schenkt, könnte zu guter Bundesförderung für regionale and lokale Projekte führen, um das lückenlose Netzwerk sicherer und komfortabler Radinfrastruktur (inklusive der Radabstellanlagen) zu erstellen, das die Bürger/-innen offensichtlich fordern. Die Bundespolitik der ‘gleichwertigen Lebensverhältnisse’ in der Stadt und dem ländlichen Regionen, auf die deutsche Politiker/-innen auf Konferenzen oft hinweisen, bedeutet Radroutennetzwerke in der Stad und in den ländlichen Regionen. Falls die kleineren Städte und sub-urbanen Orte über den Schienenverkehr gut mit den größeren Städten verbunden würden, könnte Deutschland das Potenzial nutzen, das die Kombination von Rad & Bahn bietet. I sehe in Deutschland dieses Potenzial auf einem Niveau, das wir in den Niederlanden kennen. Es ist möglich!

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Bernhard Ensink

Strategic Advisor

‘Sustainable mobility for all – that’s what matters for me. The base for this is the combination and integration of the sub-systems walking, cycling and public transport in one sustainable mobility system. This is also crucial for the achievement of the Sustainable Development Goals.’

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