Die Zukunft der urbanen Mobilität gestalten: Überlegungen zur Polis-Konferenz 2023

Die Polis-Konferenz 2023, die am 28. und 29. November 2023 im belgischen Leuven stattfand, war ein spektakuläres Schaufenster für das Engagement der europäischen Städte für eine nachhaltige urbane Mobilität. Mit einer Rekordbeteiligung von 900 (!) Fachleuten unterstrich die Veranstaltung das zunehmende Engagement der lokalen Behörden bei der Bewältigung der Herausforderungen der nachhaltigen Mobilität und der Verkehrsinnovation.

Im Gegensatz zu früheren Konferenzen fühlte sich die Atmosphäre auf Polis 2023 weniger wie ein Familientreffen an, sondern eher wie eine sich erweiternde Gemeinschaft. Die Automobilhersteller teilten sich die Bühne mit Forscher*innen, Regulierungsbehörden und (Vize-) Bürgermeister*innen aus dem gesamten politischen Spektrum. Die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Sektor verwischten, und Themen wie die wirtschaftliche Dimension des Verkehrs und „wie man mit nachhaltiger Mobilität Wahlen gewinnen kann“ standen im Mittelpunkt.

In Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern, der niederländischen Provinz Overijssel und Cycling Industries Europe (CIE), stellte Mobycon das EU-Projekt MegaBITS vor und machte damit einen guten Schritt nach vorne, um die Erfahrungen mit ITS (Intelligente Verkehrssysteme) im Fahrradbereich zu teilen.

Ich persönlich hatte das Privileg, eine parallele Sitzung mit dem Titel „Mobility for Proximity“ zu moderieren. Diese Sitzung befasste sich mit dem Konzept der oft zitierten 15-Minuten-Stadt und untersuchte die „Ehe“ zwischen Mobilität und Stadtplanung.

Es wurde zu einem Forum, in dem das Publikum mit den Referenten über die Frage diskutierte, wie ein konzeptioneller Rahmen dieser Größenordnung überhaupt in die Praxis umgesetzt werden kann, wie Verschwörungstheorien die 15-Minuten-Stadt gefährden und wie unterschiedliche Bedürfnisse, die vom Wunsch nach mehr Biergärten bis hin zu ruhigen Plätzen und Urban Gardening reichen, berücksichtigt oder priorisiert werden können. Prof. Therese Steenberghen warnte vor der Vielfalt der Bedürfnisse und den dadurch entstehenden Spillover-Effekten und wies darauf hin, dass scheinbar vernünftige Ideen wie das städtische Gärtnern unbeabsichtigt den öffentlichen Raum privatisieren könnten.

Zu den herausragenden Redner*innen gehörten Ndèye Aïta Cissé, die über die Umsetzung der 15-Minuten-Stadt sprach, Therese Steenberghen über das Brüsseler 10-Minuten-Stadtmodell, Lisa Ruhrort (Deutsches Institut für Urbanistik/Difu, Berlin) und andere, die Ideen wie fahrradorientierte Entwicklung und die Übertragbarkeit des Superblock-Konzepts von Barcelona präsentierten.

Der Gastgeberin und scheidenden Polis-Vorsitzenden Stadt Leuven ist es gelungen, auf der Polis-Konferenz 2023 zu glänzen. Leuven präsentierte sich als ein Modell für Stadtplanung und nachhaltige Mobilität. Mit einer futuristischen Fahrradspirale, die die Zugreisenden direkt am Hauptbahnhof begrüßt, einem Verkehrsplan und einem bemerkenswerten Radverkehrsanteil hat Leuven gezeigt, wie Infrastruktur, durchdachte politische Maßnahmen und die Zusammenarbeit mit einer Reihe von lokalen Akteuren ein lebendiges und fahrradfreundliches Umfeld schaffen können. Auf der Konferenz wurde häufig der Verkehrsplan von Leuven erwähnt, der Mobilität ermöglicht und die Innenstadt von unnötigem Autoverkehr verschont. Trotz anfänglicher Widerstände gelang es Leuven, die Erfahrungen aus dem bekannten Fall der flämischen Partnerstadt Gent zu nutzen.

Mit Blick auf die Zukunft freue ich mich sehr, dass Baden-Württemberg (wunderbar präsentiert als „das Länd“) und Karlsruhe die Polis-Konferenz 2024 in Deutschland ausrichten werden, bevor die Konferenz vom neuen Präsidenten des Netzwerks, der Stadt Utrecht, ausgerichtet wird. Die deutsche Stadt-Land-Kooperation im nächsten Jahr ist ein begehrtes Zeichen für den kooperativen Geist und die Bereitschaft, in Zeiten ständiger verkehrspolitischer Nachrichten drängende Fragen im Verkehrssektor anzugehen.

Am Ende der Konferenz wurde deutlich, dass die Gemeinschaft der Städte und Regionen, die sich für nachhaltige urbane Mobilität einsetzen, wächst. Städte und Regionen nutzen zunehmend ihre Stimme, um die Zukunft der Mobilität zu gestalten. Vielleicht erkennen die lokalen Behörden zunehmend den Wert von Wissen und Netzwerken über die nationalen Grenzen hinaus. Und das ist wirklich eine gute Nachricht. Weil: Wenn du nicht am Tisch sitzt, stehst du auf der Speisekarte.*

*Ich habe die Notwendigkeit eines Engagements der lokalen Behörden auf europäischer Ebene in einem früheren Artikel auf LinkedIn erläutert, der hier abrufbar ist: https: //www.linkedin.com/pulse/europa-ist-kein-luxus-youre-table-menu-dagmar-k%25C3%25B6hler/?trackingId=KuLErMAbSSyszjCCODy9Vg%3D%3D).

Dagmar Köhler

Strategische Beraterin

„Verkehr ist kein Selbstzweck, sondern ein wesentlicher Faktor, um zu leben, zu arbeiten, teilzunehmen und zu gedeihen. In den meisten Teilen der Welt ist das Potenzial für aktive Mobilität noch nicht ausgeschöpft. Ich setze mich dafür ein, dass Städte in Deutschland und im Ausland an die niederländischen Erfahrungen anknüpfen und übergeordnete Ziele sowie lokale Bedürfnisse reflektieren.“

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